Gojira – L’Enfant Sauvage
Sie sind zurück. Gojira schickt eine neue Welle atemberaubenden Metals über den Rhein. Nach ihrem unglaublichen Erfolg mit „The Way Of All Flesh“ im Jahre 2008 sind die Erwartungen hoch – auch meine.
Heute erreichte mich also die MP3-Version des Albums per E-Mail, die CD (im schönen Bundle mit LP und T-Shirt, das es aber leider nur in den USA gab) ist noch unterwegs. Trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen, direkt ‚reinzuhören. Und um dies vorweg zu nehmen: Nein, Gojira haben nichts von ihrem Klang verloren, ganz im Gegenteil, sie klingen düsterer, ernster und trotzdem bekloppter denn je – letzteres hängt wohl zusammen mit ihrem einzigartigen Stilmix aus Doom- Progressive- und TecDeath-Metal, der nunmal irre Taktwechsel mit sich bringt.
Bereits der Opener „Explosia“ fesselt an die Anlage und lässt einen unbeabsichtigt weiter aufdrehen als den Nachbarn lieb ist, dabei glänzen die Franzosen mit ausgefeilter Rhythmik und Melodie, die es schafft, einen sphärischen Klang aufzubauen, wie man ihn von Metal kaum kennt. Das Ganze wird wie schon vom Vorgängeralbum gewohnt abgerundet durch den Gesang von Joe Duplantier, der es wie kaum ein anderer versteht, brutal klingendem Gesang einen Hauch von Melodie einzuflößen. Ab ca. 4 Minuten Spielzeit wird das Lied langsam ausgeleitet. Dies geschieht mit extensivem Bassfundament, sodass die Mitbewohner es einem danken, den Pegel etwas zu senken – vor allem bei potenten Tieftönern.
Weiter geht es mit dem Titel, der dem Album seinen Namen gegeben hat, „L’Enfant
Sauvage“, das wilde Kind. Einige kennen diesen Track vielleicht schon, er wurde vorab bereits auf Youtube als Teaser ausgegeben und fand dort bereits außerordentlich viele Fans. Und das zurecht. Wie der Name schon sagt, geht es hier wild zu, schnelle Rhytmuspartien im Refrain wechseln sich ab mit Langsamen in den Strophen. Hier klingt alles so, wie es soll, durchdacht und perfektioniert bis ins Detail, Gojira at its best.
Mit „The Axe“folgt wieder ein langsames Stück, allerdings großteils dominiert von einer Doublebass, die, vom Refrain abgesehen, unbändig wie die Axt im Walde mindestens mit Sechzehntel befeuert wird. Im Zwischenspiel zeigt sich Gojira wieder von seiner psychedelischen Seite und beweist dabei erneut, dass sich die vier Franzosen an keine Grenzen halten und nur das tun, was ihnen gefällt. Und ihr Sound gibt ihnen Recht.
„Liquid Fire“ geht wieder schneller zur Sache, mit Beats, die stellenweise an Lamb Of God erinnern, aber ungleich raffinierter, unkonventioneller und kreativer. (No offense!)
In „The Wild Healer“ legt Gojira einen neuen Gang ein. Mit einem Zwischenspiel, das man klanglich eher Machinae Supremacy und Konsorten im Chiptune/Rock-Crossover zuschreiben würde, leiten sie „Planned Obsolence“ ein – wenn auch sehr abrupt. Die Überleitung ist eindeutig nicht für Herzkranke geeignet, aber für diese ist die gesamte mir bekannte Bandgeschichte von Gojira nicht geeignet.Bei Track 6 geht es also um so brutaler zu, hier gibt es geballten Blast Beat auf die Ohren. Ganz klar eine andere Richtung als noch im Titelsong, aber auch hier kann Gojira überzeugen – und leitet wieder unerwartet und abrupt aus.
Track 7, „Mouth Of Kala“, knüpft musikalisch wieder eher an die ersten paar Songs an, stark verzerrte aber doch melodische Gitarrenlines mit ausgeklügelter Rhythmik in Zusammenspiel mit in diesem Fall eher depressiv anmutendem Gesang Joes dominieren das Stück und verleihen ihm eine noch düsterere Stimmung, wenn auch eher mit anklagend-bedrückendem Tenor als dem Brutalen der bisherigen Tracks.
„The Gift Of Guilt“ schaffte es, in einem Durchlauf zu einem meiner Lieblingstracks zu werden. Zwar ziemlich langsam und einem für sie ungewöhnlich ruhigem Intro, zeigt der Track doch wieder die Vielfalt dessen, wie gezielt unser japanisches Lieblingsmonster mit den Stilmitteln des Metal umgehen kann, seien es auch brutaler Gesang, Doublebass- oder Blast Beat Parts und wilde Taktwechsel in einem eigentlich langsam und eher ruhig klingenden Lied. Es ist echt schwer, hier noch Ansätze zur Verbesserung zu finden – meines Erachtens existieren sie nicht mehr, die kleinen Makel, die das Vorgängeralbum enthielt, wurden hier nicht nur ausgemerzt, sondern gar gutgemacht.
Der 9. Track, „Pain Is A Master“, wird von ruhigen Gitarrenklängen mit leichter Schlagzeugunterstützung eingeleitet, bis wieder ziemlich abrupt losgelegt wird. Auch hier, wie man es von Gojira erwartet, mit vielen Takt- und Klangwechseln. Das mag auf Dauer langweilig klingen, wenn man diesen Text hier liest, aber es gab in den letzten 20 Jahren kaum (mir bekannte) abwechslungsreichere Alben wie dieses hier.
Dies zeigt sich auch an Track 10, „Born In Winter“. Sehr ruhig, klanglich eher in Welten von „A Pale Horse Named Death“ und Ähnlichen, aber mit Double-Time-Beat und Gojira-eigenen Elementen. Definitiv hörenswert.
Weiter geht’s mit „This Emptiness“, bei dem es selbst mir als Schlagzeuger einen Moment schwer fällt, mich in den Rhythmus des Intros zu versetzen. Auch in diesem sowie im letzten Track „My Last Creation“ spielt Gojiras kreativer Kopf jeden Trumpf aus, den er auf der Hand hält – daher hoffe ich, dass dies nicht, wie der Name sagt, seine letzte Kreation ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Wow.
Dieses Album ist auf jeden Fall mein Highlight des Jahres. Es ist uneingeschränkt jedem zu empfehlen, der wilde Taktwechsel und Kreativität gepaart mit Brutalität und genreuntypischem epischem Klang mag.
Wer „The Way Of All Flesh“ mag, wird „L’Enfant Sauvage“ lieben.
Title: | L'Enfant Sauvage |
Band: | Gojira |
Genre: | Death Metal |
Label: | Roadrunner Records |
Herkunft: | Frankreich |
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