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FESTIVAL-REVIEW: Elekktroshokk Festival 2009, Adelsheim

Allgemein muss gesagt werden, dass das Elekktroshokk ein wenig desorganisiert wirkte. Am ersten Tag war es bis zu den Headlinern gar nicht möglich zu sagen, wer da gerade auf der Bühne steht. Desswegen müsst ihr für den ersten Tag auf meine Geheimtipps, „Der-und-der-war-gut“-Sätze verzichten. Ich könnte natürlich sagen, dass die Band mit der E Gitarre verdammt gut war, aber das würde euch, werte Leser nix bringen. Das Problem war einfach, dass die Orga allein während der ersten zwei Bands (ich glaube) viermal die Running Order umgestürzt hat.
Aber trotz, dass niemand eine Ahnung hatte, wer auf der Bühne spielte, war die Musik eindeutig tanzbar. (Was die Heerscharen von Neon-Grünen Cybers, in wohlgemerkt, größtenteils gleichen Outfits, mit immer gleichen, beharrlich einstudierten Choreografien, bewiesen haben… oh mein Goth, ich finde diese Püschelfraktion derart albern… der Mainstream in der Subkultur: fast identische Outfits, immer der gleiche Tanz und die Arroganz in Person! Ich zitiere: „Ich weiß nicht, was ihr Goten hier wollt, ihr könnt doch eh nicht tanzen!“ Und so was nennt man Szene… pah!). Aber was soll’s. Ich lasse mir von so ein paar Einfallspinseln nicht die gute Festivalstimmung vermiesen.
Versuche ich mal nennenswertes vom ersten Tag zusammen zu tragen: Wie bereits erwähnt, ist dies gar nicht so einfach. F.O.D. waren definitiv gut. Mit Eva hat Chris Pohl (BLUTENGEL/TUMOR/TERMINAL CHOICE) auf jeden Fall eine verdammt gute Sängerin verloren. Denn nun haben die Jungs sich eben diese geschnappt und machen mit ihr verdammt guten Future Pop. Die drei Jungs (und Eva) sind vom Stil her irgendwo zwischen BLUTENGEL und VNV NATION gelegen, wobei dies einen recht großes Spektrum umfasst. Aber auf jedenfall tanz- und hörbar. Prädikat: Reinhören!!!
So, was ist noch alles Nennenswertes passiert? Hm, EISENFUNK waren recht gut. Ja, die drei haben mir verdammt gut gefallen. Vom Stil her ganz klar FEINDFLUG, nur vom „Text“… naja sagen wir mal: Thema/Kontext… bezogen auf Amerika und dem Kalten Krieg. Nur, dass mir persönlich EISENFUNK besser ins Ohr ging, als die ganzen anderen EBM Geplänkel. Dies könnte auch an dem im Rhythmus des Basses pulsierenden Bandlogo, nein allgemein die visuelle Backgroundshow liegen. Nein jetzt im Ernst: Wenn man Bass bei 240bpm aufwärts aufgetischt bekommt, geht das allgemein nicht gut ins Ohr. Tanzbar, ja, aber nicht hörbar. Allerdings haben Eisenfunk es geschafft – durch ihren im Takt pulsierenden Funkturm – den Bass, den Rhythmus und einfach alles andere auch visuell zu vermitteln. So geht allgemein die Musik eher ins Ohr und ich habe festgestellt, dass allein die Erinnerung in Verbindung mit der Assoziation mit der Musik, Eisenfunk auch definitiv hörbar macht. Wenn man die drei einmal Live gesehen hat, stellt man sich diesen Turm bei jedem der dröhnenden Bass-Schläge vor. Top!
Eher ein Flop waren STRAFTANZ und DAS ICH (Nun ja, Das Ich sowieso!). Bei STRAFTANZ habe ich eine gewisse Dualität vernommen. Während der Sänger Liegestühle im Publikum verteilte, Party machte und allgemein die Stimmung fast zum Kochen brachte, zickte der Laptop-Mann mit den Helden vom Mischpult und überzog die Zeit für den Aufbau gnadenlos! Und dann hab ich mir die Jungs live eher besser vorgestellt. STRAFTANZ sind eindeutig eine verdammt gute Studioband. Aber live fehlt irgendwie… nun ja, wie drückt man das aus?… der Wumps! Die Power! Es sind auch definitiv verdammt nette Menschen, wie ich bei einem kleinen Plausch mit den Tänzern feststellen durfte. War wohl eher eine Verwechslung, aber es war trotzdem nett sich mit Joker (So habe ich den Tänzer getauft, da er der einzige auf den ganzen Festival war, der ein durchdachtes Outfit hatte. Tag eins: der Joker aus den neumodischen Comic-Verfilmungen. Tag zwei: der originale Comic-Joker!) zu reden.
Nach – glaube ich – vier Liedern sind wir dann zur Mainstage um DAS ICH zu sehen. Wär ich bloß bei STRAFTANZ geblieben. Auf der Bühne finde ich einen vereinsamten Bruno Kramm vor, der Destillat spielt und sich danach von der Bühne entfernt. Wie jetzt? Weil STRAFTANZ so lang aufgebaut hatten, habe ich DAS ICH verpasst? (Nun gut, wer legt bitteschön DAS ICH und STRAFTANZ auf die gleichen Uhrzeiten?!) Später habe ich dann erfahren, dass ein berauschter Stefan Ackermann auf der Bühne rumgepöbelt hat und Bruno dort oben allein gelassen hatte. Bruno hat dann nur Destillat gespielt (boah, hat der Mann eine geile Singstimme!!!) damit das Publikum nicht ganz enttäuscht ist. Dieser Moment war dann zeitweise das Aus für DAS ICH, wie ich später von WELLE_ERDBALL erfahren sollte. Aber zum Glück gehen die beiden Ikonen der Szene Ende dieses Jahres wieder auf Tour! (Reunion?) Enttäuscht und leicht angepisst haben wir uns dann nicht mehr zu STRAFTANZ begeben und sind zurück zum Zelt, haben ein paar Schwaben aufgetrieben und haben feucht fröhlich den Abend ausklingen lassen.

Tag 2:
Hey, die Running Order stimmt. Nicht eine Änderung! Wuha! Als erstes spielte LENNART zusammen mit dem PHASE III-Sänger. Naja, spielen kann man das nicht nennen. Das ganze hieß „Lennart – Friendly Fire“ und war eine audio-visuelle Doku-Live-Performance zu der amerikanischen Außenpolitik und Rüstungsindustrie. Zusammen mit einigen Gastmusikern und zwei Gastsprechern (Nachrichtensprecher von Pro7 und CNN) schallen eingängige Elektro-Melodien verbunden mit Video- und Audiomaterial von den amerikanischen Atom-Tests und dem Irak-Krieg. Und nicht, dass ihr denkt, die gesprochenen Stellen, wären Zusammenschnitte aus dem Fernsehen. Nein, dem ist nicht so. Die beiden Nachrichtensprecher halfen aktiv bei diesem Projekt mit.
Besonders eindrucksvoll war das Irakische Elektrolied, das Lennart uns präsentierte. Er ermöglichte einer Münchner Band aus einem orientalischen Restaurant, das von deren Sänger geschriebenen Lied aufzunehmen und mischte nachträglich (mit deren Einverständnis) seinen Synthesizer unter. LENNART – FRIENDLY FIRE ist definitv mein absoluter Geheimtipp vom Elekktroshokk.
Auf andere Weise eindrucksvoll waren AGAPESIS! Die französische BDSM-Elektro-Combo aus Franzreich macht im Grunde recht unscheinbare Musik. Aber die Mischung macht’s ja bekanntlich. Guter Elektro im Stil von Das Ich, verbunden mit einer mindestens genauso kranken Stimme, wie Stefan Ackermann, und einer Live-BDSM-Show, bei der das Publikum nicht ausgelassen wurde, sind deren Erfolgsrezept. Also wer sich sexuell einmal anregen lassen will, sollte auf eine Show der drei Franzosen gehen. Wirklich große Klasse!
Zu den restlichen Bands gab es nicht wirklich viel zu schreiben. Da das Elekktroshokk von zum größten Teil unbekannten Bands bespielt wird, kennt man kaum eine. Alle waren tanzbar, die Meisten auch hörbar, nur ein paar waren mehr schlecht, als recht.
Doch der Höhepunkt bildeten WELLE_ERDBALL. Zum einen, da sie ihre Spielzeit (eine Stunde für Welle… haha… nicht mit Honey) gnadenlos überzogen haben, und zum anderen, weil man die Qualität, das Herzblut und das Besondere einfach spürte. Die Stimmung war einfach bombastisch. Alles tanzte, von der Dorfjugend, die einfach mitgeschleift wurde, bis zu den fiesen EBM-Skins. Nur die neongrünen Individuen kamen sich ein wenig verloren vor. Ob es an der Musik oder an den Texten lag (tja! Kommen halt in ihrer Oberflächlichkeit, mit so tiefgründigen Lyrics nicht zurecht!) weiß man nicht. Aber sie sahen schon ein wenig deplatziert aus.
Neben den talentierten Musikern um Honey durfte auch die übliche Bühnenshow mit Dia-Projektoren, Neonröhren, dem berühmten C-64 Brotkasten und einer Super-8-Kamera nicht fehlen. Genauso wenig, wie die Spielereien mit dem Publikum, wie kleinen Starfighter-Papierfliegern (ja… ich hab einen), riesengroße bedruckte Luftballons und Lebkuchen-Herzen. Oh my fucking god, what a great concert. Weird but great!

Fazit:
Das Elekktroshokk ist ein verdammt gutes Festival, mit einem hohen Anteil an verdammt tollen und talentierten unbekannten Bands. Meines Erachtens kam der Eintrittspreis allein durch WELLE_ERDBALL und Größen wie CELPHAGY wieder rein. Ich freue mich wenn ich nächstes Jahr wieder Black-Flirt auf dem Elekktroshokk vertreten darf und vielleicht dürfen wir auch wie auf dem Amphi Festival einen Infostand errichten. Danke an Spike und Co. für dieses verdammt geile Festival. Auch danke an das Team der Adelsheimer Live-Factory für die Location und die leckeren Getränke. Doch nehmt das nächste Mal einen bessern Met, der letzte schmeckte nach Ziegenstall…
Die Pest vergibt 4/5 Cyber-Dreads!

Fotos: -klick mich-

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